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Tierschützer protestieren – ein ganzes Dorf sagt: Stopp!

9. Dezember 2020

Goofy: Museumsdorf Volksdorf zwischen Mahnwache und Solidarität

VOLKSDORF „Fridays for Goofy“: Unter diesem Titel ruft ein „Gnadenhof“ aus dem niederbayerischen Kollnburg zu einer Mahnwache vor dem Museumsdorf Volksdorf auf. Gegner des Schulprojekts – das Heimat-Echo berichtete – planen an diesem Freitag, 11. Dezember, durch die Horst zwischen Museumsdorf und Walddörfer Gymnasium eine Menschenkette zu bilden. Laut dem Veranstalter Erdlingshof ist die Maximalzahl der Teilnehmer bereits jetzt erreicht. In ihrem Aufruf betonen die Tierschützer, dass die Teilnehmer Masken tragen und einen Mindestabstand von 1,5 Metern einhalten werden. Weiterhin bedauere man „den Shitstorm mit wütenden und beleidigenden Kommentaren, welcher die Schule und die am Projekt Beteiligten erreicht hat“. Die Mahnwache findet statt, obwohl Goofy nicht wie geplant geschlachtet wird. Die Schule hatte damit dem bundesweiten Druck von Tierschützern nachgegeben – auch, um die Schüler zu schützen.
Der Erdlingshof war seit mehr als einem Jahr mit dem Walddörfer Gymnasium in Kontakt. Ein geplanter Besuch der Schüler in Kollnburg musste Corona-bedingt abgesagt werden. In der Folgezeit entstand über den Umgang mit Goofy ein Konflikt, der in den vergangenen Wochen eskalierte. Die Vertreter des Erdlingshofs nannten das Vorgehen, Goofy nun nicht wie geplant zu schlachten, sondern als Zugochsen im Museumsdorf zu lassen, ein „vollkommen inakzeptables Ablenkungsmanöver“. Die Schüler wiederum sahen im Engagement des Erdlingshofs ein „Sprungbrett zur Selbstinszenierung“ der Tierschützer.
Der Konflikt scheint verfahren, die für Freitag angekündigten Proteste sorgen schon im Vorfeld für Unmut und Unruhe in Volksdorf. Schon jetzt kündigt sich eine breite Welle der Solidarität an, die dem Museumsdorf Volksdorf zur Seite steht. Institutionen, Vereine, Verbände, Parteien rücken zusammen, wollen ein deutliches Stoppschild gegen Shitstorm, Anfeindungen und Verleumdungen aufstellen. Seit einem Vierteljahrhundert finde im Museumsdorf nachhaltige und artgerechte Tierhaltung statt. Nur so werde bäuerliches Leben, wie es früher war, erlebbar. Man verwahre sich dagegen, die Tierhaltung im Museumsdorf als nicht artgerecht oder gar als Tier-Versklavung zu brandmarken. Das Museumsdorf und das Goofy-Projekt waren und seien das genaue Gegenteil von industrieller Massentierhaltung. (ml/sho)

Ochse Goofy auf der Weide des Museumsdorf Volksdorf
Ochse Goofy auf der Weide des Museumsdorf Volksdorf Foto: Marius Leweke

Leser-Echo

„Ein bescheuertes Anliegen“

Es ist schön, dass Sie über das Kalb Goofy berichten. Noch besser wäre es aber, wenn Sie auch Stimmen veröffentlihen, die kundtun, dass es eine Schande ist, das Kalb zu Schul -und Lehrzwecken zu schlachten. Und dass die Eltern mal in sich gehen sollten, welch ein bescheuertes Anliegen sie da verfolgen. So wird die Welt nicht lebenswerter!
Dagmar Emons

„Kein Verständnis für die Schüler“

Die Schüler wollten ein Projekt – also Schlachten? Sie wollten auf was hinweisen? Fakt ist, sie wollen nur stänkern, kritisieren und haben keine Sekunde die geistige Fähigkeit, ein Tun bis zu Ende zu denken. Das Verhalten der Tierschützer sorgt für Unverständnis? Bei mir sorgt das Vorgehen der Schüler und deren Lehrerschaft zu Unverständnis! Wie „schön“, dass das Schlachten des Kalbes nur als „ein Thema“ geht. Dieses verlogene Getue hat genau den richtigen Shitstorm bekommen.
Jordis Braun

„Aktionen gegen wehrlose Schüler“

Mit Interesse lese ich auf Ihrer Homepage, dass Sie Guerilla-Aktionen zur „Befreiung“ von Goofy planen ,die „wochen-und monatelang Volksdorf nicht zur Ruhe kommen lassen“ sollen. Wenn ich das Wort Guerilla richtig übersetze, werden Sie und Ihre Anhänger einen Krieg in unser friedliches Dorf tragen – und das für eine Kuh!! Makaber ist, dass Sie ihre gewalttätigen Aktionen gegen wehrlose Schüler und friedliebende Bürger richten.
Knut Danker in einem Brief an den Erdlingshof, der zu den Protesten aufgerufen hat

„Diskurs differenziert führen“

Das Schicksal des Stierkalbs Goofy hat über den Stadtteil hinaus große, zum Teil sehr emotionale Kreise gezogen. In diesem Zusammenhang ist es leider auch zu Anfeindungen und starken Vorwürfen gekommen. An dieser Stelle ist es wichtig, die über den Stadtteil hinaus wertvolle Arbeit des Museumsdorf Volksdorfs zu betonen. In fast ausschließlich ehrenamtlicher Arbeit wird hier ein Hof betrieben, der das Dorfleben von vor 150 Jahren zeigt. Es ist wichtig, jungen Menschen die kritische Auseinandersetzung mit Konsum zu ermöglichen und ihnen durch Positivbeispiele Denkanstöße zu geben und Alternativen im Handeln aufzuzeigen. Das Leitbild des Walddörfer-Gymnasiums, Schülern eine individuelle Bildung zu ermöglichen, konnte durch das hohe Engagement der Schule im Rahmen dieses Projektes in den Vordergrund gestellt werden. Ich hoffe sehr, dass weder das Museumsdorf, noch das Walddörfer-Gymnasium sich durch diese scharfe Dynamik der letzten Wochen von zukünftigen Kooperationen abschrecken lassen. Der empathische, konstruktive Einsatz für Goofy ist daneben sehr legitim und ich freue mich, dass die Sensibilität für das Tierwohl immer breiter vorhanden ist. Wichtig ist jedoch, dass der Diskurs differenziert geführt und Goofys Schicksal nicht instrumentalisiert wird. Für eine wirkliche Verbesserung in der Tierhaltung und eine nachhaltige Reduzierung des Fleischkonsums muss der Protest an geeigneter Stelle zum Ausdruck gebracht werden, damit die Aufklärung und Forderungen nicht das Ziel verfehlen. Dass Goofy letztlich im Museumsdorf bleibt, begrüße ich und freue mich, ihn bald bei seiner neuen Arbeit als Zugochsen zu besuchen.“
Maryam Blumenthal, Stv. Fraktionsvorsitzende Grüne Bürgerschaftsfraktion

„Keine Empathie für Homo sapiens“

Es war ein tolles Projekt von Volksdorfer Schülern, die über zwei Jahre hinweg von der Geburt einen Jungbullen begleitet haben und dabei viel über den bewussten Umgang mit Fleisch, über Tiere und die Landwirtschaft gelernt haben! Es freut mich auch für Goofy, der schon jetzt ein besseres Leben hatte, als die allermeisten anderen seiner Artgenossen. Was ich aber nicht nachvollziehen kann, ist dass Jugendliche von Erwachsenen beleidigt, gemobbt und an den Internetpranger gestellt werden. Schade, dass Menschen, die sich als Tierfreunde bezeichnen, keine Empathie für den jungen Homo Sapiens aufbringen. Ich würde allen militanten Tierschützern raten, sich stattdessen lieber dafür einzusetzen, dass die unsägliche Produktionskette für Fleisch, die auch tierethisch nicht zu vertreten ist, verändert wird. Denn in Urwaldregionen wird für Flächen zur Erzeugung von Futtermitteln gerodet und damit die Biodiversität zerstört. Besonders Soja wird mittels Schweröl angetriebener Schiffe nach Europa transportiert und dann unter unwürdigsten Bedingungen an Nutztiere verfüttert. Die Böden sind in den Schwerpunktregionen verseucht und das Grundwasser belastet. Dazu kommt der massenhafte Einsatz von Antibiotika. Die Rinder, Schweine und das Geflügel werden dann von Arbeitern aus Osteuropa ausbeuterisch, unter menschenunwürdigen Bedingungen geschlachtet und zerlegt, um dann zu einem erheblichen Teil nach Asien, vor allen Dingen China exportiert zu werden. Man sieht, es gibt also viel Besseres zu tun, als engagierte Jugendliche zu diffamieren.
Tim Stoberock, Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft (SPD)

„Das geht in Richtung Nötigung“

Ich finde Ihr Engagement für den Tierschutz im Grunde richtig. Aber hier so pauschal auf eine Schule, Schüler, Eltern und einen Verein einzuschlagen, halte ich für vollkommen überzogen. Die Auswirkungen auf die Betroffenen gehen für mich schon in Richtung Nötigung. Sie sollten Ihre Aktionen und Maßnahmen doch lieber auf die wirklichen Verursacher der von Ihnen zu Recht angeprangerten Haltungs- und Lebensbedingungen, also Masttierbetriebe, Schlachthöfe, Transportunternehmen und die Politik, richten. Sie werden niemals alle Menschen zu Vegetariern und Veganern machen.
Robert Häger, Auszug aus einem Brief an die Stiftung für Tierschutz

„Was geht hier eigentlich ab?“

Was geht hier eigentlich ab? Da kündigt ein bayerischer Lebenshof „Guerilla-Kampagnen mit überraschenden, unkonventionellen und eindrucksvollen Protestformen an, die Volksdorf in den nächsten Wochen und Monaten ganz sicher nicht zur Ruhe kommen lassen werden.“ Was habe ich mir darunter vorzustellen? Wieso müssen die Volksdorfer darunter leiden, wenn Tierschützer anderen ihre Meinung aufzwingen wollen, aber damit nicht so richtig erfolgreich sind? So gewinnt man keine Freunde für sein Anliegen. Da wird aufwändig mit einer Internetkampagne, inkl. Petitions-Button auf der „Freiheit für Goofy“-Seite des Erdlingshofs, versucht das Leben eines Rindes zu retten. Dass aber in 2019 in Deutschland 3,4 Millionen Rinder geschlachtet wurden, also über 10.000 Tiere täglich, das interessiert irgendwie keinen. Warum nicht? Weil sie keinen Namen haben? Da schweigen die Tierschützer. Ist das nicht irgendwie verlogen?
Ralph Bernhardt, Hamburg

Last modified: 21. Januar 2021

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