Umstrittenes Schulprojekt endet vorzeitig – Schüler fühlen sich bevormundet
VOLKSDORF Ochse Goofy, der seit anderthalb Jahren im Museumsdorf Volksdorf lebt, wird nicht geschlachtet. Mit dem Ende des Schulprojektes reagierte das Walddörfer Gymnasium auf einen bundesweiten Proteststurm in den Sozialen Medien. Die Schüler selbst stehen dem Abbruch kritisch gegenüber. Und auch der Protest geht weiter.
Ein Volksdorfer Schulprojekt, das 2019 auf einer Klassenreise im Zillertal seinen Anfang nahm, hat bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Dass Schüler ein Kalb vor dem Schlachter retten, um es dann selbst wenige Monate später dorthin zu bringen – das können viele Tierschützer und Veganer in ganz Deutschland nicht verstehen. Binnen weniger Tage haben 18.000 Menschen die Petition „Freiheit für Goofy“ unterschrieben. Einem Druck, dem die Schule nun nachgab, indem sie das Projekt vorzeitig abgebrochen hat – auch, um die Schüler zu schützen. Goofy bleibt am Leben.
Das jähe Ende des Projekts und das Verhalten der Tierschützer sorgt auch für Unverständnis. „Mit dem Inhalt des Projektes haben sich die meisten Tierschützer nicht beschäftigt. Niemand sieht, dass es im Kern darum geht, für die Themen Lebensmittelindustrie und Tierwohl zu sensibilisieren“, sagt Egbert Läufer, 2. Vorsitzender des Museumsvereins Volksdorf. Wie er sehen es viele: Es sei wichtig und richtig, Kindern und Jugendlichen zu verdeutlichen, dass Fleisch ein Gesicht und einen Namen hat. In diesem Fall: Goofy.
Schüler erlebten einen Shitstorm
Die Schüler selbst fühlen sich überrumpelt und ein Stück weit auch nicht ernst genommen. Sie haben sich monatelang mit Landwirtschaft und Tierwohl auseinandergesetzt, miteinander diskutiert und gerungen, ihre eigene Ansicht zum Thema Fleischverzehr auf den Prüfstand gestellt. Damit, dass Goofy im Museumsdorf Volksdorf ein Zuhause auf Zeit gefunden hat, und als sogenanntes „Nutztier“ am Ende auch geschlachtet wird, hatten sie sich abgefunden und auch bewusst dafür entschieden. Nun haben sie noch eine andere Lektion gelernt, die anfangs nicht auf dem Lehrplan stand: welche Wucht die sozialen Medien entfalten können und wie schnell man selbst zum Opfer eines Shitstorms wird.
Mit Goofys Rettung ist die Auseinandersetzung noch nicht vorbei. Dass er im Museumsdorf nun Zugochse werden soll, erzürnt die Tierschützer erneut. Sie kündigen ab dem 11. Dezember Proteste unter dem Motto „Fridays for Goofy“ sowie zusätzliche Kampagnen an.
Überraschend, unkonventionell und eindrucksvoll sollen die Protestformen werden, die der Erdlingshof aus dem süddeutschen Kollnburg in Volksdorf schon jetzt angekündigt hat. Man werde erst ruhen, wenn Goofy auf einem Lebenshof untergebracht ist, sagen die Aktivisten. Jürgen Solf, Schulleiter des Walddörfer Gymnasiums, äußert sich jetzt, ein paar Tage später, dem Heimat-Echo gegenüber sehr deutlich dazu. Er nennt die Statements der Tierschützer aus ganz Deutschland anfeindend, beleidigend und verurteilend. Und sie gingen zum größten Teil komplett am Thema vorbei.
„Die Schlachtung des Tieres war hier nicht pädagogischer Selbstzweck, sondern Teil der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung. Diese und die Auseinandersetzung mit der Frage, was Fleischkonsum bedeutet, sind durch die Schülerinitiative als Inhalt des Projekts gewachsen. Die Schule hat beschlossen, zusammen mit dem Museumsdorf den Jugendlichen diesen Erfahrungsraum auf einem Bauernhof zu ermöglichen. Die Schlachtung eines Tieres ist somit ein Aspekt dieser Erfahrung und nicht das pädagogische Ziel“, betont er. Damit sich die Schüler ein Urteil bilden könnten, sei es wichtig, es ihnen nicht vorzusetzen, sondern sie es sich selbst bilden zu lassen. Diese Chance sei den Schülern nun genommen worden. Sie seien verärgert. „Zu Recht“, sagt Solf.
„Wir werden bald unsere Stimme erheben“
Die Schüler selbst hätten sich gewünscht, mit den Tierschützern ins Gespräch zu kommen. Dass sie von Lehrern und dem Museumsdorf instrumentalisiert worden seien, weisen sie von sich. „Es gab keinerlei Bevormundung durch die Lehrer“, sagen sie im Gespräch mit dem Heimat-Echo. Die Jugendlichen kündigen an, sich bald selbst nochmal zu Wort zu melden. Denn dem Hass im Netz möchten sie etwas eigenes entgegensetzen.
Von Susanne Holz und Marius Leweke
Stimmen zum Thema:
„Tierschützer bevormunden uns“
Wir stehen immer noch hinter dem Projekt Goofy, auch wenn es jetzt schlagartig beendet wurde. Es ist schade, dass die Idee dahinter, nämlich die intensive Auseinandersetzung mit der Landwirtschaft und woher unser Essen kommt, auf die Schlachtung reduziert wird. Wir haben uns im Lauf der vergangenen eineinhalb Jahre intensiv damit auseinandergesetzt und auch einen Gnadenhof besucht. Leider mussten wir nun feststellen, dass die Tierschützer uns bevormunden wollen. Zu einer zielführenden Diskussion gehört auch die Akzeptanz anderer Meinungen. Für die Entscheidung gegen einen Gnadenhof war keiner offen. Der Hass und die Beleidigungen sind auch deshalb nicht nachvollziehbar, weil wir durch Goofy unser Konsumverhalten geändert haben. Klar wäre für uns eine Herausforderung gewesen, Goofy zum Schlachthof zu geben. Aber wir haben uns gegen den einfachen Weg entschieden und einige von uns sind auch erleichtert, dass er weiterlebt und im Volksdorfer Museumsdorf bleibt. Ein Gnadenhof weit weg ist keine Alternative; denn da wird Goofy uns ja auch weggenommen. Dennoch hatten wir akzeptiert, dass der Tod eines Nutztiers zum landwirtschaftlichen Betrieb gehört. Den Einblick in die Praxis eines bäuerlichen Betriebs im Museumsdorf gehört zu den vielen positiven Aspekten der Arbeit mit Goofy. Wir haben eine fast schon familiäre Beziehung dorthin aufgebaut, die auf alle Fälle weitergeführt wird. Darum finden wir es so traurig, dass die Situation durch realitätsferne Tierschützer eskaliert ist, die keine Diskussion wollen, sondern ihren Geltungsanspruch durchsetzen. Wer nur auf seine eigene Meinung fixiert ist, zeigt ein schlechtes Bild von veganer Lebensweise. Es ist kein „Wir gegen Die“.
Schüler des Walddörfer Gymnasiums
„Schülern wurden jetzt Lernerfahrungen genommen“
Die Schule will Jugendliche nicht an das Töten von Tieren gewöhnen, sondern dem Wunsch Raum geben, durch Mitarbeit in einem landwirtschaftlichen Betrieb eigene Erfahrungen mit unserem Fleischkonsum zu machen, um sich selbst ein kritisches Urteil zu bilden. Die bevormundende und aggressive Art des Verurteilens hat dieses Projekt beendet. Schülern wurde die Erfahrungen zur eigenen Urteilsfindung weggenommen.
Jürgen Solf, Schulleiter
„Wir stehen zum Projekt“
Das Museumsdorf steht nach wie vor zu dem Projekt. Bei dem geht es in erster Linie darum, für das Thema Lebensmittelindustrie und Tierwohl zu sensibilisieren. Denn das, was uns in der Fleischwerbung suggeriert wird, hat mit der Realität nichts zu tun. Solange wir Fleisch essen, werden dafür Tiere getötet – meistens unter unwürdigen Umständen. Die Schüler nehmen das Projekt sehr ernst, haben sich mit allen Facetten auseinandergesetzt. Für uns wäre es ein Riesenerfolg, wenn es am Ende zahlreiche Vegetarier geben würde.
Egbert Läufer, Museumsdorf Volksdorf
Zukunft auf dem Gnadenhof
Das Engagement der Schülerinnen und Schüler finden wir herausragend. Ohne ihr beherztes Eingreifen wäre Goofy als Abfallprodukt eines Milchbetriebs wenige Wochen nach seiner Geburt getötet worden. Umso deprimierender ist es, dass Schulleitung und Museumsdorf Goofys Tötung ebenfalls so resolut einforderten. Nun soll Goofy als Zugochse arbeiten und wird vermutlich nach wenigen Jahren auch getötet. Wir müssen keine Tiere töten, wenn wir uns pflanzlich ernähren. Nur auf einem Lebenshof hat Goofy ein sicheres Zuhause.
Nicolas Thun, Erdlingshof
„Die armen Kinderseelen“
Dass meine Petition „Freiheit für Goofy“ binnen weniger Tage mehr als 18.000 Menschen unterschreiben würden, hätte ich selbst nicht gedacht. Umso mehr freut es mich, dass Goofy nun am Leben bleiben darf. Was mir wehtut: Nun soll er Zugochse werden. Er ist also vom Todeskandidaten zum Galerensklaven geworden. Die Petition wird weiterlaufen, es wird weitere Aktionen geben, so lange, bis Goofy in Sicherheit ist. Mir tun die Kinder leid. Was macht es mit ihren Seelen, wenn sie für den Tod eines Tieres verantwortlich sind?
Kathrin Hampf, startete eine Petition
Last modified: 21. Januar 2021