Der Volksdorfer Revierförster Alexander Knöttgen über angegriffene Fichten und seinen Traumjob
Volksdorf „Besonders die Hitze-Sommer 2018 und 2019, die extrem waren, haben uns Borkenkäfer-Schäden aufgezeigt. Insbesondere in der Fichte“, sagt Alexander Knöttgen. „Und diese Schäden müssen beseitigt werden!“ Im Laufe des Jahres wird er daher möglicherweise einen Vollernter, auch als Harvester bekannt, in seinem Revier zum Einsatz bringen. „Wir haben durch das große Gerät nur einen ganz kurzen Eingriff, in dem wir stören“, erklärt er beruhigend.
Von Anja Krenz
Im Volkdorfer Revier hat der Borkenkäfer einige Fichten erwischt – wie viele genau, wird noch ermittelt. Fest steht: Die im Absterbeprozess befindlichen Nadelbäume müssen im Herbst bzw. Winter abgenommen werden, damit der Borkenkäfer mit ihnen den Wald verlassen und somit keinen weiteren Schaden verursachen kann. Knöttgens sieben Mitarbeiter, alle Forstwirte, einer von ihnen Meister, können aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung sehr gut einschätzen, wie ein Baum fällt. Bei toten Bäumen lässt sich der Fall aber nicht mehr so gut kontrollieren. „Ich werde meine Kollegen dieser Gefahr nicht aussetzen. Deswegen möchte ich zur Aufarbeitung des Kalamitätsholzes (s. Infokasten) für bestimmte Bereiche für kurze Zeit einen Vollernter einsetzen, um die höchstmögliche Arbeitssicherheit und Ergonomie zu erzeugen. Das ist nichts Schlimmes, sondern eher etwas Gutes. Etwas völlig Normales in der Forstwirtschaft. Und ich bitte alle Bürgerinnen und Bürger für den Einsatz dieses Gerätes um Verständnis.“
Vom Handwerker zum Förster
Alexander Knöttgen ist ein großgewachsener, humorvoller, verantwortungsbewusster und wortgewandter junger Mann, der seit dem 1. Mai das Sagen über die 89 Waldparzellen des Volksdorfer Reviers hat. Wenn man sein bisheriges Leben betrachtet, glaubt man kaum, dass er vor einem guten Monat erst 31 Jahre alt geworden ist. Geboren in Itzehoe, aufgewachsen in Büsum, machte er nach seinem Realschulabschluss zunächst eine Dachdeckerausbildung und anschließend seinen Meister, weil er „erst mal mit den Händen arbeiten“ wollte. Aber schon während dieser Zeit zog es ihn immer wieder in den Wald. Als aus Faszination Leidenschaft und Liebe wurden, verließ er nach sieben Jahren das Dach und machte in Göttingen seinen Bachelor of Science in der Forstwirtschaft. Freunde und Kollegen scherzten damals, er wolle wohl sehen, wo die Dachlatten wachsen, die er immer verarbeitet hat. „Den Vergleich fand ich immer ganz schön“, lacht er.
Nach seinem Studium ging es zur praktischen Ausbildung in den Harz, danach wurde er Revierförster in Hildesheim. Als ihm eine Freundin erzählte, dass das Bezirksamt Wandsbek „seine“ Stelle ausgeschrieben hat, bewarb er sich und bekam sie – „zum Glück“, wie er sagt. „Handwerk im Allgemeinen ist toll. Es macht mir Spaß, und ich mache es privat nach wie vor. Aber jetzt bin ich zu hundert Prozent, mit allem, was dazugehört, Förster! Das ist für mich der wirkliche Beruf, der mich so richtig gepackt hat.“
Folgen des Klimawandels für das Nadelholz
Vor allem die Fichte benötigt viel Wasser, um den Holzkörper zu versorgen und um Harz zu produzieren. Wenn sie z. B. durch einen Borkenkäfer angegriffen wird und dieser sich einbohrt, versucht die Fichte ihn mit dem Harzfluss abzuwehren. Wenn der Baum zu wenig Feuchtigkeit hat, um Harz zu bilden, hat der Käfer ein leichteres Spiel: Er geht unter die Borke, setzt einen Duftstoff frei, lockt Artgenossen an, die den Stamm in hoher Zahl besiedeln. Die Folge: Das sogenannte Kambium (die Wachstumsschicht) wird zerstört, der Baum trocknet aus und stirbt ab. Er verliert seine Nadeln und die Flexibilität – er kann im Wind nicht mehr schwingen und wird zu Kalamitätsholz erklärt. Wenn der Borkenkäferbefall früh genug festgestellt wird, kann der zu diesem Zeitpunkt noch standfeste Baum mitsamt den Käfern und Larven abgenommen, abtransportiert und zu Wert- und Industrieholz verarbeitet werden.
Anwalt des Waldes
Knöttgens Job steht auf drei Säulen – Nutz, Schutz und Erholung. Damit ist er verantwortlich für ökologisch verträglichen Forstschutz, die Überwachung der Landeswaldgesetze, Kontrollen, Verbesserung des Waldgefüges, Bereitstellung von Wertholz bis Brennholz, und er beantwortet zudem Besuchern alle Fragen. „Ich verstehe mich als Anwalt des Waldes“, sagt er. Auch die Jagd gehört zu seinem Berufsbild. Er kann verstehen, dass dies von manchen kritisch gesehen wird, aber es ist sein gesetzlicher Auftrag. „Wenn eine Population zu groß wird, drohen Schäden in der Land- und Forstwirtschaft sowie Verkehrsunfälle durch Wildwechsel. Dann muss eingegriffen werden“, erklärt er. „Meinen Jagdschein, den man auch ‚grünes Abitur‘ nennt, habe ich mit 20 gemacht. Die mit der Jagd verbundenen Traditionen sind mir sehr wichtig.“
Seit mittlerweile 18 Wochen ist „der Neue“ Revierförster in Volksdorf. Mit dem Umzug in seine Wahlheimat ist er sehr glücklich, da das Revier Außergewöhnliches zu bieten hat. „Das Besondere ist nicht nur der mit über 90 Prozent sehr hohe Laubholzanteil, sondern auch der sogenannte Randeffekt: Ein Waldgebiet wird hier in der Großstadt meist von Straßen, teils mit Wohngebieten, umsäumt. Das bedeutet, es gibt viel Waldrand. Und genau dieser Bereich zwischen Straße und dem eigentlichen Wald ist der ökologisch wertvollste, da es dort die höchste Artenvielfalt gibt.“ Eine weitere Besonderheit stellt der eigentlich seltene Mittelspecht dar: „Als Lebensraum benötigt er alte Eichen mit grober Borke! Und davon haben wir reichlich im Revier. Einige sind sogar über 400 Jahre alt.“
Feierabend im „Dorf“
Wenn der Förster sein Tagewerk erledigt hat, geht er gerne durch den Volksdorfer Wald ins Dorf. „Ich bin dort häufiger im Café, in der Eisdiele oder im Restaurant anzutreffen.“ Die Anwohner erkennen Alexander Knöttgen inzwischen an seinem Gesicht oder von hinten an seiner markanten Weste mit dem Hamburg-Wappen. Er wird gegrüßt und in Gespräche verwickelt.
„Die Menschen hier lieben ihren Wald. Sie fragen mich, wie es ihm und den Tieren geht oder ob ich gut angekommen bin.“ Das freut ihn, und das ist er. „Ich fühle mich sehr, sehr wohl, habe ein starkes Team, und der Job ist genau das, was ich mir versprochen habe.“
Fotos: Anja Krenz
Motorsägenscheine
Die Volksdorfer Revierförsterei ist die einzige in Hamburg, die noch Motorsägen-Kurse anbietet. Auch in diesem Jahr soll es noch eine Schulung geben. Derzeit wird dafür ein Hygieneplan erarbeitet. Danach steht fest, wie viele Männer und Frauen teilnehmen können und ob der normale Preis von 110 Euro gehalten werden kann. Leiten wird den Kurs einer der Forstwirte. Das Brennholz, das die Försterei an den Waldwegen bereitstellt, wird übrigens nur an Menschen verkauft, die einen Motorsägenschein vorweisen können.
Last modified: 9. September 2020