Bei „Tiny Farming Bergstedt“ lässt sich ökologisches Bewusstsein lernen und üben – zusammen und mit Spaß
Heimat-Echo vom 13. November 2019
BERGSTEDT Ein großes helles Gewächshaus. Töpfe mit Tomaten in allen Größen, Formen, und Schattierungen, Salate, Kräuter, vielerlei Gemüse. In der Mitte ein langer Tisch mit vielen Stühlen, ein großer Teppich, Meditationskissen – ein „Raum im Raum“– einladend!
Von Susanne Lorenz
Draußen: weitere Gewächshäuser, Brachflächen, ein Regenwassersammler, ein Bienenhotel, ein fast fertiges Hühnerhaus, Kunstobjekte aus Holz, Metall und Stein. Hier entwickelt sich etwas, das ist offensichtlich. Hier, am Bergstedter Furtredder, auf dem großen Gelände der ehemaligen Gärtnerei Riechers, gründet sich zurzeit der gemeinnützige Verein Tiny Farming Bergstedt e.V.
Raum zum Neu-Denken und Ausprobieren
Die Auseinandersetzung mit den vielen drängenden Fragen der Klima- und Umweltpolitik steht für uns alle an, die Notwendigkeit des achtsamen Umgangs mit Pflanzen und Tieren in Landschaft und Natur ist in aller Munde, das Bedürfnis nach einem respektvollen Miteinander, nach Gemeinschaft, allgegenwärtig. Aber wo gibt es im Alltag Raum und Zeit zum systematischen Neu-Denken? Und wie lässt sich ein anderer Umgang miteinander und mit Natur und Umwelt lernen in einem gesellschaftlichen Bezugsrahmen, der überwiegend von Eile, industrieller Landwirtschaft und kommerziellen Interessen bestimmt ist? Wie kann sich jeder Einzelne dem Thema ganz praktisch nähern und was kann es ihm leichter machen?
„Tiny Farming Bergstedt“ ist – wie viele Menschen – auf der Suche nach Antworten. Man hat sich u.a. auf die Fahnen geschrieben zu informieren und Wissen zu vermitteln im Hinblick u.a. auf ökologischen und gleichzeitig ökonomischen Anbau und wesensgerechte Tierhaltung. Man möchte interessierten Menschen die Möglichkeit und den Raum geben, mit beidem Erfahrungen zu machen, voneinander und gemeinsam zu lernen. Und noch ein anderes Anliegen wird verfolgt: Man möchte kulturelle Räume öffnen, Menschen zusammenbringen und für ihre Beziehung zu sich selbst und zu anderen ebenso sensibilisieren wie für die zu Pflanzen und Tieren. Ein Bewusstsein dafür schaffen, dass Landwirtschaft, Nachhaltigkeit und ein gutes Miteinander anders gehen können, „ein Bewusstsein für das Eigentliche“, so formuliert es Antje Hoepner, im „richtigen“ Leben Psychologische Psychotherapeutin, deren Eltern das Gelände vor vielen Jahren erworben haben und die hier in einer kleinen Mehrgenerationengemeinschaft lebt.
Am Anfang waren Tomaten
Auf dem Gelände am Furtredder haben sich – bislang – neun Menschen zusammengefunden, die dort etwas Neues erproben wollen, jeder für sich und alle gemeinsam. „Die ursprüngliche Idee kam von meinem ersten Pächter“, erinnert sich Antje Hoepner. „Vor drei Jahren hat Herbert hier im Gewächshaus erstmals eine Fläche gepachtet und begonnen, ökologisch und pestizidfrei Tomaten anzubauen. Das hat ihm Spaß gemacht und die Ernte war enorm – Grund genug für Herbert, weiterzumachen und mit weiteren Gemüse- und Kräutersorten zu experimentieren.“ Die Entstehung des Mini-Ökoprojekts sprach sich herum: Menschen kamen vorbei, meldeten Interesse an einer Fläche an, weitere Pächter kamen hinzu. „Eine kleine Gemeinschaft hat sich herausgebildet“, erzählt Antje Hoepner. „Jeder gestaltet seine Fläche selbst, zieht seine eigenen Pflanzen, experimentiert. Dennoch ist man ständig im Austausch, sitzt zusammen, fachsimpelt, plant, lacht und jeder bringt ein, was er kann und weiß.“ So wie Lukas Wenrich, der im dritten Semester Bioressourcenmanagement studiert und bei Tiny Farming sowohl gärtnert als auch „hausmeistert“ – auf dem riesigen Gelände ist immer etwas zu tun.
Zeit für Entwicklung und Erfahrung
In der Nachbarschaft stößt diese Kleinstlandwirtschaft auf reges Interesse. In vielen Menschen macht das Vorhaben Resonanz – die Zahl derer, die sich um Pachtflächen bemüht, steigt. „Wer mitmachen möchte, sollte sich für den gemeinschaftlichen Gedanken von Tiny-Farming begeistern und – ganz wichtig – ganzjährig dabei sein wollen“, sagt Antje Hoepner und betont: „Die Anliegen des Vereins – informieren, von- und miteinander lernen, Austausch – stehen im Vordergrund, Ergebnisse dürfen auf sich warten lassen, weder um Perfektion noch um Dogma geht es uns. Der Prozess selbst ist wichtig, die Erfahrungen, die Entwicklung“.
Veranstaltungen in Planung
Zahlreiche Ideen für Veranstaltungen, die diese Anliegen aufnehmen und weitertragen, haben bereits Form angenommen. Im Gewächshaus, zwischen Töpfen und Pflanzen, an diesem Ort, der so ungewöhnlich ist – intim, hell, luftig und geräumig – sollen Vorträge zu Kleinstlandwirtschaft und Ernährung gehalten, Filme gezeigt, Ausstellungen präsentiert werden. Der lange Tisch lädt ein zum gemeinsamen gesunden Essen, zu Austausch und Diskussion, geplant sind ein Gemüse- und Pflanzencafé, Kräuterführungen und Gartenkonzerte. Hühner werden angeschafft, die „Paten“ brauchen. Ab März wird montags bis freitags morgens im Gewächshaus meditiert. Ab April kann man sich in einem Schreibkurs literarisch und kreativ mit seiner eigenen schriftstellerischen Kompetenz und Schöpfungskraft auseinandersetzen. Los geht es mit den Veranstaltungen schon im Dezember: Am 23.12. nimmt der Verein i.G. teil am „Bergstedter Lebendigen Adventskalender“. Vielleicht eine schöne Gelegenheit, um am Furtredder 16 vorbeizuschauen und sich schon einmal über das Projekt und die kommenden Aktivitäten zu informieren? Nachhaltigkeit lernen und gemeinsam Spaß haben – klingt das nicht verheißungsvoll…?
AKTUELL: Das Projekt wurde für den 13. Stadtteilpreis nominiert. Weitere Projekte in unserer Region:
Neben „Tiny-Farming-Bergstedt“ ebenfalls in der Endrunde: der Wünschewagen des ASB Hamburg und die Stiftung „Was tun!“ (Förderung des Austauschs zwischen Volksdorfern und Geflüchteten an der Eulenkrugstraße). Zehn von 20 gemeinnützigen Einrichtungen gewinnen jeweils 10.000 Euro.
Stimmenabgabe noch bis zum 10. März, 10 Uhr auf www.mopo.de/stadtteilpreis
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