Saatgut-Bibliotheken in den Bücherhallen im Alstertal und in Volksdorf
POPPENBÜTTEL/VOLKSDORF Mit der Bücherhalle die Pflanzenwelt erkunden: Das geht an den Standorten Alstertal und Volksdorf nun nicht nur theoretisch. Die beiden Bibliotheken bieten Hobbygärtnern die Möglichkeit, selbst gezogene Samen miteinander auszutauschen.
Von Marius Leweke
Noch hat die Saatgut-Bibliothek in einem kleinen Karton Platz. In weißen Briefumschlägen, sorgsam beschriftet, haben die ersten Interessenten Samen aus eigener Züchtung in der Bücherhalle Volksdorf abgegeben. „Im Moment sind wir noch am Sammeln“, sagt Katrin Schumann, die in Volksdorf gemeinsam mit Katja Klüsener die Saatgut-Bibliothek aufbaut.
Mehrere Sorten Tomaten habe man bereits, dazu Stockrose, Tagetes, Fingerhut und Nachtkerze. „Eine Dame hat auch Yamswurzel und Amaranth mitgebracht“, erzählt Katrin Schumann. Da haben die beiden Garten-Bibliothekarinnen selbst erst einmal nachgeschaut, was sie in das Samenregal stellen. „Es macht Spaß, mehr über Pflanzen zu lernen, das weckt richtig Interesse,“ so Katrin Schumann. Sie hat schon vertretungsweise in anderen Bücherhallen ausgeholfen und ist von dem Projekt überzeugt. „Das kam überall sehr gut an.“
Mehr Biodiversität und alte Sorten retten
Katja Klüsener und Katrin Schumann teilen die Samen nach der Einlieferung durch Bücherhallen-Kunden in kleine Portionen auf, die dann in eigenen beschrifteten Tütchen ins Regal wandern. Jeder Nutzer darf höchstens ein Tütchen mitnehmen. „Der Gedanke ist, dass unsere Gäste nach einem Jahr mit den neuen Samen der Pflanze wieder kommen“, sagt Katja Klüsener. Also, dass man sich die Samen quasi „ausleiht“. Erwünscht ist aber auch, vor allem zum Start, dass die Kunden Saatgut aus dem eigenen Garten mitbringen. „Wichtig ist, dass es sortenrein ist, also keine Blumenwiese oder ähnliches“, ergänzt Katrin Schumann.
Ziel ist es, alles, was in Hamburg wächst, zu erhalten und damit alte, heimische Pflanzen für mehr Biodiversität in Gärten, auf Balkonen und Fensterbänken zu erhalten.
Die Idee, Saatgut in Büchereien zu tauschen, kommt aus den USA. Dort geht es vor allem darum, nicht genveränderte Pflanzen zu kultivieren und damit jenseits der Saatgut-Konzerne für Sortenvielfalt in den Gärten zu sorgen. In den vergangenen 20 Jahren entstanden dann immer mehr „Seed Libraries“. In Europa ist Frankreich Vorreiter mit mehr als „Grainothèques“, die ab 2013 eingerichtet wurden. Nun ist der Trend in Deutschland angekommen und allein in Hamburg geben die Bücherhallen an 20 Standorten die kleinen Tütchen mit Blumen-, Obst- oder Gemüsesamen aus.
Last modified: 22. Juni 2022