Mit Bodenpflege, Bewässerung und Biodiversität dem Klimawandel begegnen
TANGSTEDT Die Gurken entwickeln sich prächtig, und die Tomaten tragen dank Sonne satt üppig bis in den September. Der Kohlrabi hingegen schwächelt. Trockenheit und Starkregen im vergangenen Sommer haben Auswirkungen auf die Ernte der Wulksfelder „Ackerhelden“.
Von Susanne Lorenz
Tobias Paulert, Gründer des gleichnamigen Essener Unternehmens und sein Team bieten seit fast zehn Jahren in Kooperation mit Partnern aus der Biolandwirtschaft 40 Quadratmeter große Ackerparzellen in ganz Deutschland zum Mieten an. Menschen können darauf Bio-Gemüse anbauen und auf diese Weise mehr Bewusstsein dafür entwickeln, was sie täglich essen.
„Biogemüse im Wert von durchschnittlich 600 Euro konnten unsere Kunden in den letzten Jahren ernten“, berichtet Tobias Paulert. „Dieser Erntewert wird regional durch Umfragen ermittelt, für dieses Jahr steht er allerdings noch nicht fest“. Der Landwirt geht jedoch davon aus, dass die Erträge sehr unterschiedlich sein werden. „Um in diesem trockenen, heißen Sommer eine gute Ernte zu erzielen, mussten sich die Ackerhelden überall in Deutschland enorm ins Zeug legen und viel Zeit in Bodenpflege und Bewässerung investieren, das war nicht allen gleichermaßen möglich“.
„Einmal hacken ist besser als dreimal gießen“
Das Klima verändert sich, das spüren auch die Ackerhelden in Tangstedt. Wetterlagen bleiben länger stabil: Wochenlange Hitze und Trockenheit, unterbrochen nur von kurzen, extrem heftigen Niederschlägen, die kaum in den harten Boden eindringen, haben das Land ausgedörrt. „Von Jahr zu Jahr wird es wichtiger, den Boden mit der Hacke immer wieder aufzulockern und so die Oberfläche zu vergrößern, die Tau und Regen aufnehmen kann, sagt Tobias Paulert. Sein Credo: „Einmal hacken ist besser als dreimal gießen“. Und auch fürs Gießen hat er eine Strategie: „Nicht zu viel, denn der Ackerboden hat eine hohe Wasserhaltekapazität. Und gezielt: Gießt man die Pflanzen direkt an der Basis, füllen sich die Tiefenspeicher“.
Nicht nur Boden- und Pflanzenpflege erfordern zunehmend Flexibilität. In Zusammenarbeit mit Gemüsezüchtern und Landwirtschaftsverbänden überdenken die Landwirte auch die Anbaupläne: „Wir setzen auf Biodiversität. Kulturen gedeihen abhängig vom Wetter mal besser, mal schlechter. Es ist immer mal eine dabei, die sich nicht gut macht, das ist normal. Eine Bepflanzung mit unterschiedlichen Kulturen hat jedoch den Vorteil, dass ein Teil der Ernte auf jeden Fall gut gedeiht und gleichzeitig den Boden verbessert, weil Pflanzen mit unterschiedlichen Wurzeltiefen Nährstoffe in unterschiedlichen Bodenschichten verbrauchen. „Im kommenden Winter werden wir Niederschlagsmenge und Temperaturentwicklung beobachten und dementsprechend die Kulturen fürs nächste Jahr auswählen.“
Viel mehr als Gemüse
Die Erntebilanz der Mietgärtner umfasst jedoch viel mehr als „nur“ den reinen Erntewert. Ackerhelden sammeln Erfahrungen, lernen dazu und tauschen sich aus. Schreibtischmenschen entspannen bei der körperlichen Arbeit, der Geist kommt zur Ruhe. Die Freude über die eigene Ernte lässt die Mühen des Hackens und Gießens in weite Ferne rücken. Und das Gefühl, aktiv zu einer gesünderen Umwelt beizutragen, ist süß.
„Wer sein Obst und Gemüse im Supermarkt kauft, nimmt Klimaveränderungen höchstens indirekt über die Preissteigerungen wahr“, weiß Tobias Paulert. Auf ihrem Acker dagegen erfahren die Menschen sie direkt in ihrem eigenen Lebensraum. Ich wünsche mir, dass mehr Menschen solche Erfahrungen machen und vor allem, dass sie sie weitertragen, damit die Bereitschaft in der Gesellschaft wächst, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen“.
Mehr Infos zu den Mietgärten und anderen Projekten der Ackerhelden finden Sie unter www.ackerhelden.de.
Last modified: 5. Oktober 2022