Der ehemalige Europaabgeordnete Knut Fleckenstein (SPD) ist nur ein „halber Rentner“ – dennoch genießt er seine neu gewonnene Freiheit
Sasel – Diese markant sonore Stimme ist sein Markenzeichen. Tief, warm und klangvoll. Dazu gesellt sich die Ruhe, die er ausstrahlt. Von Hektik keine Spur. Er wirkt immer ein wenig nachdenklich. Alles was er sagt, scheint gut überlegt zu sein. Wer nun aber denkt, der heute 66-jährige ehemalige Europaabgeordnete Knut Fleckenstein habe sich zur Ruhe gesetzt, weil er ja jetzt das Rentenalter erreicht hat, der irrt gewaltig.
Von Doris Schultes
Schon seine berufliche Biografie liest sich wie ein Kaleidoskop. Viele bunte Einzelteile ergeben immer wieder ein neues Bild. Nach Abitur und Ausbildung zum Bankkaufmann sammelte er erste berufliche Erfahrungen bei der Deutschen BP. Fünf Jahre war er dann Pressesprecher und Büroleiter des Zweiten Hamburger Bürgermeisters Alfons Pawelczyk, übernahm danach die Leitung der Abteilung für Europaangelegenheiten und Entwicklungszusammenarbeit in der Senatskanzlei, war zwei Jahre Pressesprecher und Leiter des Protokolls der Hamburgischen Bürgerschaft, Mitglied der Geschäftsleitung im Transportunternehmen Hansetrans und 15 Jahre Geschäftsführer des Arbeiter-Samariter-Bundes in Hamburg, dessen Bundesvorsitzender er seit Oktober 2010 ist.
46 Jahre in der SPD
Als Knut Fleckenstein 1974 in die SPD eintrat, hat er sich bestimmt nicht träumen lassen, eines Tages auf eine zehnjährige Abgeordnetentätigkeit im Europäischen Parlament zurückblicken zu können.
Dass er im vergangenen Jahr durch das schlechte Abschneiden seiner Partei keinen Sitz mehr im Europaparlament bekam, findet er zwar schade, aber nicht katastrophal. „Mein Ausstieg fiel zufällig mit meinem Rentenbeginn zusammen“, sagt er. Und so wurde er eben Rentner. Aber was für einer! Einer, dessen Pensum das eines durchschnittlichen Ruheständlers mit Nebenjob um ein Vielfaches übersteigt.
Keine Spur von Ruhestand
Als stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Sozialdemokraten im EU Parlament und außenpolitischer Sprecher war Knut Fleckenstein besonders aktiv, was Russland und die Staaten des westlichen Balkans angeht. Heute berät er die Regierungen in Albanien und Nord-Mazedonien nicht nur auf ihrem Weg zum EU-Beitritt. Daneben arbeitet er noch als Special advisor für die europäischen Sozialdemokraten, also dem Dachverband sozialdemokratischer Parteien, ist Vorsitzender des Arbeiter Samariter Bundes in Deutschland und seit 20 Jahren Gesellschafter und Aufsichtsratsvorsitzender des Ernt-Deutsch-Theaters. Seit September vergangenen Jahres ist er als Politikberater für die Beratungsgesellschaft von Ole von Beust tätig, den er seit 45 Jahren kennt.
Und dieses Pensum nennt er Rentnerdasein? „Ich bin ja nur ein halber Rentner und fast täglich noch irgendwie im Geschäft, aber eben nicht mehr in Verantwortung im Europäischen Parlament“, sagt er. Insgesamt käme sein gegenwärtiges Engagement einem langsamen Ausschleichen aus dem Berufsleben nahe. Aber eins ist sicher: Ganz ohne Aufgaben geht es für Knut Fleckenstein nicht. „Ich kann nicht morgens wach werden, frühstücken und warten, dass es dunkel wird. Und nur Rasen mähen und Regenrinne saubermachen geht auch nicht.“
Mehr Zeit für Familie und Freunde
Knut Fleckenstein lebt in Sasel, ist verheiratet und hat zwei erwachsene Töchter. „Ich genieße es, jetzt wieder mehr ein Teil der Familie zu sein und auch Zeit für Freunde zu haben.“ Zu seinen Hobbys gehört – neben der Angewohnheit, jeden Abend vor dem Einschlafen ein paar Seiten in einem Krimi zu lesen – das Reisen. „Das macht natürlich mit meiner Frau mehr Spaß als beruflich.“ Mehr Gelegenheit dazu wird es sicher in ein paar Jahren geben, wenn beide im „Fast“-Ruhestand sind.
Wenn Knut Fleckenstein sein Berufsleben Revue passieren lässt, kommt er zu einem großartigen Ergebnis: „Ich habe 46 Jahre gearbeitet und 44 Jahre davon, hatte ich das Gefühl, dass ich für mein Hobby bezahlt werde. Das ist neben meiner Familie das größte Glück, das ich erleben konnte. Und wenn es heißt, zum Beruf gehören die Pflicht und die Kür, dann erlebe ich jetzt nur die Kür.“
Für die Zukunft wünscht sich Knut Fleckenstein „dass meine Familie und ich gesund bleiben, dass ich noch ein paar Jahre das machen kann, was ich jetzt mache, und dass die Gelassenheit, die sich jetzt nach einem Jahr ohne EU-Abgeordnetentätigkeit einstellt, auch bleibt.“
Last modified: 9. September 2020