Stiftung bringt Menschen am Hochbeet zusammen
Heimat-Echo vom 6. Januar 2021
VOLKSDORF Die Einrichtung von Fördern und Wohnen am Waldweg 185 bietet knapp 170 Geflüchteten und Wohnungslosen Unterkunft. Seit Anfang des Jahres gibt es auf dem Gelände ein Hochbeet-Projekt. Die Stiftung „Was tun!“ möchte mit ihrer Initiative „Stadtgemüse – zusammen wächst alles besser“ die Integration und den Austausch zwischen Bewohnern und Volksdorfern vorantreiben.
Von Anja Krenz
Claudia Hasseldiek arbeitet als Erzieherin in der Nachmittagsbetreuung einer Eilbeker Grundschule. Auf der Suche nach einer weiteren sinnvollen Beschäftigung stieß die Volkdorferin auf die Stiftung und deren Initiative. Der Ansatz: Grün schaffen fürs Klima, Geflüchteten eine sinnhafte Beschäftigung geben, vor allem aber die Integration fördern. So trat sie im November vergangen Jahres einen Minijob als Projektleiterin an. Ihre Aufgabe: mithilfe von „Stadtgemüse“ auf dem Gelände von Fördern und Wohnen Geflüchtete und Nachbarn zusammenbringen. Dabei bilden das gemeinsame Gärtnern und das Kochen mit selbstgezogenem Gemüse die Schwerpunkte. Der Hintergedanke der Stiftung „Was tun!“ liegt auf der Hand: Freunde mit gutem Essen bewirten und einen Abend verplaudern – das mögen Menschen auf der ganzen Welt. Genau das wollten Claudia und ihr Mann Thorsten erreichen: mit den Anwohnern ins Gespräch kommen.
Zum ersten Kochabend im Januar 2020 kamen die Bewohner zunächst nicht in großer Zahl, aber neugierig und froh über das Angebot. Ein Paar aus der Nachbarschaft war auch mit dabei. Nudeln mit Petersilienpesto war das erste Gericht, das sie zusammen herstellten, erzählt Claudia, „gut geeignet für den Einstieg, weil es einfach zu machen und trotzdem lecker ist.“ Reihum sollte jeder ein typisches Gericht aus seinem Heimatland vorstellen und mit den anderen zubereiten. Sechsmal fanden diese Zusammenkünfte statt, dann kam Corona. Treffen in der Unterkunft wurden verboten. Der Kontakt wurde über Whatsapp aufrecht erhalten.
Erste zarte Pflänzchen
Im Februar hatte die neue Gemeinschaft die ersten beiden Hochbeete aufgebaut. Während des Lockdowns zog Claudia die ersten Pflänzchen auf ihrem heimischen Balkon vor. Die Bewohner setzten sie in die Beete und wässerten sie täglich reihum. Erst Ende Juni durfte die Gruppe wieder im Freien zusammenkommen. Im Juli wurden drei weitere Hochbeete aufgestellt. Und dann konnte schon der erste Kohlrabi geerntet werden. Die Kinder beäugten das ihnen unbekannte Gemüse zunächst skeptisch, finden es mittlerweile süß und lecker. Seitdem ist viel gewachsen – Auberginen, Kürbisse und Zucchini. Auch ein paar Erdbeerpflanzen sind zu entdecken. Claudia guckt mit Stolz auf die kleine gewachsene Gemeinschaft: „Aus dem Zusammen-mach-Garten ist ein Sprechgarten geworden. Und ein ganz großer Lachgarten.“ Wasima (39) ist darüber glücklich: „Das ist ein bisschen Spaß, sonst ist es sehr langweilig hier.“ Vor drei Jahren kam sie mit ihrem Mann und den vier gemeinsamen Söhnen aus Afghanistan nach Deutschland. Ihr Ältester Ansar (20), wurde von der Familie getrennt und lebt alleine in Hannover, wo er zur Schule geht und später eine Ausbildung machen möchte. Der Rest der Familie kam in der Volksdorfer Einrichtung unter. Keiner von ihnen konnte anfangs auch nur ein Wort Deutsch. Das hat sich dank eines Sprachkurses und den Treffen am Gemüsebeet geändert.
Claudia und Thorsten helfen auch bei Behördenbriefen und Formularen. Als es keine Masken in der Wohnunterkunft gab, besorgten sie kurzerhand eine Nähmaschine und kauften verschiedene Stoffe. Aus denen nähte Wasima, die in ihrer Heimat Schneiderin gelernt hat, 160 Alltagsmasken für alle Bewohner. Gerade die Arbeit mit den Kindern ist dem Ehepaar wichtig, da diese wenig Außenkontakt haben. Durch die Pandemie wird das gemeinsame Kochen auch im kommenden Winterhalbjahr nicht stattfinden können. Die Volksdorfer „Stadtgemüse“-Gemeinschaft will die Zeit nutzen und den Garten weiter ausbauen. In den nächsten Monaten wird unter anderem ein Werkzeugschuppen gebaut und ein Gewächshaus aufgestellt.
„Stadtgemüse“ verlost Hochbeete
Die Initiative der Stiftung „Was tun!“ vergibt aktuell insgesamt 33 Hochbeete an interessierte Hamburger.
Kleine Gemeinschaften, die Lust am Gärtnern haben, können sich um bis zu drei Hochbeete bewerben.
Infos: stadtgemuese.wastun.net
AKTUELL: Das Projekt wurde für den 13. Stadtteilpreis nominiert. Weitere Projekte in unserer Region:
Neben der Stiftung „Was tun!“ (Förderung des Austauschs zwischen Volksdorfern und Geflüchteten an der Eulenkrugstraße) ebenfalls in der Endrunde: der Wünschewagen des ASB Hamburg und Tiny Farming in Bergstedt. Zehn von 20 gemeinnützigen Einrichtungen gewinnen jeweils 10.000 Euro.
Stimmenabgabe noch bis zum 10. März, 10 Uhr auf www.mopo.de/stadtteilpreis
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Last modified: 3. März 2021