Buddelschiffe: Seit mehr als 60 Jahren stellt Hans Weinrebe maritime Schätze her
POPPENBÜTTEL „Die Finger werden nicht gelenkiger, aber wenigstens habe ich keinen Tatter“, sagt Hans Weinrebe und grinst. Mit unendlicher Geduld und Fachkenntnis stellt der 84-Jährige in monatelanger Handarbeit Modellschiffe und filigrane Schönheiten in Flaschen her. Gebastelt wird in einem Anbau, in dem früher Öltanks lagerten: In seiner „Räuberhöhle“ findet er die nötige Ruhe für sein detailreiches Hobby.
Von Anja Krenz
Hans Weinrebe, 1936 auf Nordstrand geboren, hatte „noch nichts erlebt außer Bomber zählen“, als sein Vater 1952 beschloss, nach Hamburg zu ziehen. „In der Ruinenstadt gab es null Arbeit“, erzählt Weinrebe, „deshalb bin ich aus Not zur See gefahren.“ Mit 16 ging er als „Moses“ an Bord der MS Atlantik und fuhr anschließend viereinhalb Jahre zur See. Seine erste Tour führte ihn nach Madagaskar, die zweite über Kuba nach Mittelamerika, und die dritte brachte ihn von England nach Gibraltar. „Diese Jahre auf See haben mich mehr geprägt als alles, was ich danach gemacht habe“, sagt Weinrebe. „Zu der Zeit war die Arbeit noch seemännisch. Da musste man noch richtig Kraft aufwenden, um das Ruder zu drehen. Und richtig schwierig wurde es bei Eis und Schnee“, erzählt der 84-Jährige. Zurück an Land machte er eine erfolgreiche Straßen- und Tiefbaufirma in Glashütte auf. Aber die Liebe zur Seefahrt trug er im Herzen und lebte sie fortan bei der Herstellung von Modell- und Buddelschiffen aus.
Sogar das Werkzeug ist selbstgebaut
Über sein frickeliges Handwerk sagt Weinrebe: „Buddelschiffe bauen ist nicht schwer. Vorher die Flaschen leeren – das ist schwer!“ Die kleinen, klappbaren Wunderwerke werden zuerst hergestellt – „nach Augenmaß, also nicht maßstabsgetreu“, erklärt Weinrebe. Wenn das Schiff gelungen ist, stattet er die Flasche aus: Zunächst platziert er den Hintergrund der Szenerie, den er selber mit Acrylfarbe bemalt. Dann formt er aus farbiger Knetmasse und mit selbst gebautem Werkzeug durch den Flaschenhals hindurch die Wellen mit ihren Schaumkronen. Wenn die getrocknet sind, wird das fertige Schiff, mit umgelegten Masten voran, in die Buddel geschoben. Ist es an der richtigen Stelle, werden die Masten mit einer Art Häkelnadel aufgerichtet, und dann entfalten sich auch die Wanten und die Segel, die tatsächlich aus Baumwollstoff bestehen. „Ungefähr 40 Buddelschiffe habe ich wohl gemacht“, schätzt Weinrebe. Besonders angetan haben es ihm „Katastrophenschiffe“ – die Pamir, die 1957 in einem Hurrikan sank, oder die „Great Eastern“, zwischen deren Doppelwänden zwei Schiffbauer eingenietet worden sein sollen und die ein Transatlantikkabel zwischen Europa und Amerika verlegte, bis es vor Neufundland riss und man vor vorne anfangen musste.
Für seine Buddeln verlangt er kein Geld. „Wenn einer fragt, sag ich: Schenken tu ich dir das. Verkaufen ist nicht – ich komm mit meiner Rente aus!“, sagt Weinrebe, der als Witwer vor 14 Jahren noch mal sein großes Glück gefunden hat: Liu, eine Doktorin der Chemie.
Kennengelernt haben sie sich auf einer Rundreise durch Thailand, zu der ihn ein Sportsfreund vom SC Poppenbüttel überredet hat. „Liu hält mich auf Trab“, sagt Weinrebe. Sie sorgte auch für ihn, während er neun Monate praktisch ohne Unterbrechung an der „Victory“ baute. „Ich wollte das unbedingt fertig haben“, sagt Weinrebe, der das Modellschiff seinem Enkel Mirko schenken möchte. Allein für die Wanten knüpfte er 2.280 kleinste Knoten. Liu, die Frau für die Zahlen, sagt: „Es waren 120 Tütchen mit Kleinstteilen für 700 Euro.“ Weinrebe ergänzt: „Wenn ich gewusst hätte, wie aufwendig das ist, hätte ich’s nicht angefangen. Das war’s mit den großen Schiffen!“ Aber für ein weiteres Buddelschiff hat er dann doch noch eine Idee: die Susanna, die wegen eines Jahrhundertsturms einst 99 Tage ums Kap Horn brauchte. „Dafür brauche ich aber eine dickbäuchige Flasche, ohne Verwerfungen und von guter Qualität.“ Wer hat eine?
Last modified: 23. Dezember 2020