Von Sasel über Rügen bis in die Alpen – ein Abenteuer auf zwei Rädern zwischen Abi und Studium
Sasel/Volksdorf Die Idee, eine richtig große Fahrradtour zu machen, trugen Henrik, Felix und Erik schon eine ganze Zeit lang mit sich herum. Corona machte den ursprünglichen Plänen einen Strich durch die Rechnung. Statt ans Nordkap ging es nun einmal rund um Deutschland. Von Sasel aus Richtung Rügen und dann bis in die Alpen. Der Kurswechsel hat sich gelohnt. Diese Tour bleibt unvergesslich.
Von Marius Leweke
Auf ihrem Weg haben sich die jungen Leute viel vorgenommen: Über Rügen und Neuruppin ging es nach Magdeburg und von dort auf dem Elbe-Radweg nach Dresden. Weitere Etappenziele waren Bamberg und Passau. Um die sportliche Herausforderung zu steigern, stand ein Abstecher nach Österreich, genauer gesagt ins Salzkammergut, auf dem Plan. Von Normalnull in die Alpen. Ab dem Bodensee nahmen die wackeren Radler, krankheits- und prüfungsbedingt zwischenzeitlich auf ein Duo reduziert, wieder Kurs gen Nordsee und passierten auf dem Heimweg nach Hamburg noch Brüssel, Antwerpen und Bremen. Zum erfolgreichen Abschluss der Rundreise haben Wetter und Material einiges beigetragen. „Höchstens drei Regentage und keinen einzigen Platten“, bilanziert Felix Lein die Tour. Wichtigster Faktor aber seien die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der vielen Menschen gewesen, denen die drei unterwegs begegnet sind. Felix Lein: „Damit hätten wir echt nicht gerechnet.“
4000 Kilometer über Stock und Stein
„Die Räder haben super durchgehalten“, erzählt Felix Lein. Dabei wurde das Material nicht geschont. Er und seine Freunde fuhren mehr als 4000 Kilometer über Stock und Stein – vom perfekt asphaltierten Radweg entlang der Elbe bis hin zum Geröllpfad in den Alpen.
Kennengelernt haben sich die drei Freunde am Gymnasium Buckhorn, wo sie 2019 gemeinsam Abitur gemacht haben. Ihr Profilfach war, logisch, Geografie. „Eigentlich wollten wir schon letztes Jahr direkt nach der Abiverleihung Richtung Nordkap starten, aber das ging von der Logistik her nicht“, so Felix Lein. „Und 2020 haben wir dann Corona-bedingt die Route gewechselt.“ Ein Entschluss, den das Trio nicht bereut hat.
Kein einziges negatives Erlebnis hatten die Drei, im Gegenteil: Wildfremde ließen sie sogar im Garten ihre Zelte aufschlagen und luden sie morgens zum Frühstück ein. „Es war toll zu erleben, wie viele Menschen einem einfach so helfen, wenn man sie freundlich bittet.“
In Deutschland gibt es viel zu entdecken
Doch nicht nur der menschliche Faktor hat den Trip zur Traumreise gemacht. „Deutschland ist deutlich imposanter, interessanter und abwechslungsreicher, als wir uns das vorgestellt haben.“ Gerade auf den Wegen abseits der großen Touristenrouten gab es viel zu entdecken. In Mecklenburg durchfuhren die Radler kleine charmante Bauerndörfer. „Alte Gutshäuser und Stallungen, manche besser erhalten als die anderen, Kopfsteinpflasterstraßen und Holzbrücken über kleine Flüsse und Bäche“, schildert Felix Lein die für die drei Großstadtjungen ungewohnte Umgebung. „Abends haben wir beim Klappern der Störche unsere Zelte aufgebaut.“ Zelte im Plural. Denn jeder der drei hatte sein eigenes Dach über dem Kopf und damit genug Privatsphäre, um sich mal aus dem Weg zu gehen. „Das ist in zwei Monaten gemeinsam auf der Straße schon sehr wichtig.“ Außerdem habe das Wetter super mitgespielt. Nur einmal mussten sie eine Etappe wegen Regen abbrechen. Wo die drei angehenden Studenten ihr Nachtquartier aufschlugen, wurde unterwegs, meist mit ein paar Tagen Vorlauf, entschieden. In der Regel schlief das Trio im Zelt, bisweilen im Hostel oder bei Verwandten. „Manchmal haben wir einfach bei Leuten mit großem Garten geklingelt.“ In einem kleinen Tal in Österreich endete ein Abend bei Bier und hausgemachtem Holundersaft auf der Terrasse der spontanen Gastgeber. Felix Lein: „Sie haben uns sogar noch Frühstück gemacht mit Semmeln, Kipferln und Rhabarber-Marmelade.“
800 Gramm Dosenkost pro Nase
Für die Radler eine willkommene Abwechslung, standen doch sonst in der Regel Salamibrote auf der Frühstückskarte. Mittags dann fünf Brötchen und abends Dosenkost, 800 Gramm pro Nase. „Wir haben dann schon mal kalte Ravioli gegessen, wenn es zu heiß zum Kochen war.“ Der Abend war auch die Zeit für den täglichen Bericht auf Instagram und im Blog rundumdeutschland.de. Mit dem Versprechen täglicher Berichte konnten die drei im Vorfeld Outdoor- und Fahrrad-Ausrüster als Sponsoren gewinnen. Felix Lein: „Wir haben auch in die Vorbereitung eine Menge Arbeit gesteckt.“
Die Tour rund um Deutschland führte die drei durch Städte wie Dessau mit dem ersten Bauhaus, Bamberg mit seiner traditionsreichen Universität oder Regensburg mit dem leider eingerüsteten Dom. Kulturelles Interesse war für Henrik, Felix und Erik ein Grund, vom Rad zu steigen. Bei den Zwischenstopps kamen ihnen der Corona bedingte Touristenmangel zugute. „Hallstatt in Österreich ist sonst völlig überlaufen“, so Felix Lein, „aber wir waren fast alleine.“ Die Fahrt entlang des Hallstättersees mit seiner türkisfarbenen Oberfläche und den schroffen Gipfeln des Dachsteingebirges zählen für ihn zu den absoluten Höhepunkten der Tour. Nummer Zwei der Landschafts-Highlights war für Felix das Moseltal mit seinen steilen Weinbergen. „Ich hatte mir die Natur dort vorher nicht so schön vorgestellt.“
Halbzeit der Tour am Bodensee
Dazwischen passierten die Deutschlandreisenden aus den Walddörfern den Bodensee, wo sie zur Halbzeit ihre Räder noch einmal richtig durchputzten, alle Schrauben anzogen und die Zelte ordentlich reinigten. Felix Lein: Vom Bodensee ging es dann den Rhein entlang Richtung Hamburg – zumindest so ungefähr. Denn die Reise durch den Pfälzerwald – „idyllische kleine Seen, tief dunkle Abschnitte und stillgelegte Bahntrassen mit toller Aussicht“ – genossen die Radler ebenso wie die schon erwähnte Tour entlang der Mosel. „Weinberge, kleine Dörfer mit schiefergedeckten Häusern und ein gut asphaltierter Radweg, das brachte unerwartet viel Spaß.“ Also bogen Felix und Henrik in Bonn links ab, während sich Erik um seinen Medizinertest kümmerte, und nahmen den Umweg durch Belgien und die Niederlande zur Nordseeküste. In Brüssel stand für junge Europäer das EU-Parlament auf dem Programm. Die Niederlande punkteten mit perfekten Radwegen, wogegen entlang der Nordsee Gegenwind und Schafskot auf der Deichkrone das Vergnügen trübten, wenn auch nur ganz leicht. Die letzten Kilometer hatte das Wetter ein Einsehen und spendete ab Cuxhaven Rückenwind, und am 55. Tag um Punkt 19 Uhr erreichten Henrik und Felix die Elbphilharmonie und kehrten über die Wandse nach Sasel zurück, wo sie, wieder mit Erik vereint, bei Bier und Burgern die Fahrt ausklingen ließen.
Eine Reise mit Lerneffekt und vielen Eindrücken
Was ist sonst von der Reise im Gedächtnis haften geblieben? Die Erkenntnis, dass es eine blöde Idee war, einen Geröllpfad auf eine Anhöhe zu befahren, nur um auf Instagram bei rundumdeutschland.de stolz über einen neuen Höhenmeter-Rekord zu schreiben. Dass es eine gute Idee war, Campingstühle mitzunehmen, weil man nach mehr als 100 Kilometern im Sattel darin bequemer sitzt als auf dem Boden. Und natürlich immer wieder, wie nett Menschen reagieren, wenn man sie freundlich um einen Gefallen bittet. „Einfach fantastisch.“
Eine nächste Reise ist noch nicht geplant. Jetzt ist erstmal das Studium dran. Vielleicht schaffen die drei es danach doch noch ans Nordkap. Ordentlich trainiert haben sie ja schon.
Last modified: 11. September 2020