„Jeder Schulweg ist hier gefährlich“. Nachbarschaftsinitiative kämpft für mehr Sicherheit
LEMSAHL-MELLINGSTEDT Ein drei Jahre altes Neubaugebiet, eine anderthalb Kilometer entfernte Grundschule und kein sicherer Schulweg. Das ist die Situation, mit der sich 120 Familien am Spechtort konfrontiert sehen. Die Straße Im Kohlhof stellt eigentlich die direkte Verbindung zwischen Siedlung und Schule dar. Sie wird jedoch von den Spechtort-Kindern nur „der gefährliche Weg“ genannt: Autos fahren dort oft zu schnell, und der Gehsteig ist zu schmal.
Von Anja Krenz
Julia Böcker ist vor zwei Jahren in das Neubaugebiet am Spechtort gezogen und lebt gerne dort: „Es ist wie Bullerbü. Es geht uns eigentlich sehr gut hier…“ Es folgt das große Aber, das die 37-jährige Mutter dreier Kinder umtreibt: „Die Gefahr kommt zu schnell um die Ecke. Welchen Schulweg wir auch wählen – er ist gefährlich.“ Die Friedensforscherin wundert sich: „Die Stadt lässt bauen, denkt aber nicht an die Sicherheit der Kinder.“ In ihrer neuen, gut vernetzten Nachbarschaft fand Julia Böcker einen Mitstreiter, der das Heft in die Hand nahm: Lasse Eisgruber gründete Anfang August die Nachbarschaftsinitiative „Aktionsteam Verkehrssicherheit Lemsahl“. Außerdem startete er zeitgleich eine Petition (zu finden unter openpetition.de, Suchwort „Verkehrssicherheit“), um die Situation schnellstmöglich zu verbessern und „die Unterstützung unseres Anliegens in Zahlen auszudrücken.“
Im Kohlhof benötigt Umgestaltung
Die Petition richtet sich mit konkreten Forderungen an Thomas Ritzenhoff, den Leiter des zuständigen Bezirksamts Wandsbek. Die wichtigste ist sicherlich der Umbau der Straße Im Kohlhof, die derzeit als direkter Schulweg ungeeignet ist: Sie mutet durch die angrenzenden Wiesen und Äcker wie eine Landstraße an und lädt, laut Anwohnern, dadurch zum Rasen ein. Daher fordern sie die Einrichtung einer Tempo-30-Zone. Der Gehsteig im Kohlhof ist durch alten Baumbestand stellenweise nur knapp 50 Zentimeter breit und von Wurzeln durchzogen. Hier will die Initiative die Schaffung eines sicheren Geh- und Radwegs erwirken. Laut Bezirksamt ist die Straße für diese Baumaßnahmen zu eng. Sie müsse entweder zur Einbahnstraße umgebaut werden, oder die alten Bäume müssten weg. Doch auch dafür hat Lasse Eisgruber eine Lösung: „Würde die Stadt dem Eigentümer der landwirtschaftlichen Flächen Land abkaufen, um den Gehsteig ein Stück von der Straße entfernt zu bauen, könnte der Kohlhof bleiben, wie er ist. Und die Bäume wären eine natürliche Begrenzung zwischen Straße und Gehweg.“ Eine weitere Alternative „ist eine Erweiterung der Straße in westlicher Richtung um ca. einen Meter, damit der Gehweg auf der anderen Straßenseite verbreitert werden kann. Entsprechende Prüfungen seitens der Verwaltung haben schon stattgefunden, aber der genaue Planungsstand ist uns noch nicht transparent gemacht worden“, so Eisgruber weiter.
Alle Parteien angeschrieben
Der 36-jährige Betriebswirt setzt seit Anfang August alle Hebel in Bewegung: Er hat in der Bezirksversammlung Wandsbek vorgesprochen, „das gesamte demokratische Parteienspektrum“ angeschrieben und Bürgerschaftsabgeordneten vor Ort die Problematik verdeutlicht. Er hat bewirkt, dass eine Kleine Anfrage an den Senat gestellt wurde: „Die Antwort enthielt Gutes und Schlechtes“, sagt Eisgruber. „Die Sache sei in Prüfung, die geforderte Ampel in Höhe Fiersbarg käme allerdings frühestens 2025. Bis dahin sind viele unsere Kinder schon wieder raus aus der Grundschule“, stellt er enttäuscht fest.
Vater zu Gast im Regionalausschuss
Immerhin: Die Verantwortlichen kennen die Petition und können die Sorgen der Eltern sogar nachvollziehen. Vom Bezirksamt Wandsbek erfuhr das Heimat-Echo, dass die Straße Im Kohlhof als Nachrücker in das Arbeitsprogramm für 2020/ 2021 aufgenommen worden sei. Das bedeute, dass die Verwaltung die Planungen aufnähme, sollten personelle und finanzielle Ressourcen frei werden. Aktuell fehle der erforderliche Grunderwerb, um einen Gehweg hinter den alten Bäumen bauen zu können.
Am vergangenen Donnerstagabend war Lasse Eisgruber zu Gast im Walddörfer Regionalausschuss, um die Dringlichkeit noch einmal zu verdeutlichen. Über eine Stunde widmete man sich dort dem Thema. „Positiv war, dass sich alle Ausschussmitglieder, und zwar fraktionsübergreifend, einig waren, dass sich an der derzeitigen Situation grundsätzlich etwas ändern muss“, lautet die Einschätzung von Eisgruber. Weniger überzeugend fand er einige Argumente der Polizei. „Beispielsweise, dass die Unfallstatistik unauffällig sei“, so Eisgruber. „Das liegt ja genau daran, dass die Spechtort-Eltern ihre Kinder zur Schule begleiten und auch dort abholen.“ Es könne doch nicht sein, dass erst ein schlimmer Unfall mit einem Kind passieren muss, damit endlich Maßnahmen ergriffen würden. „Jede unserer Forderungen wurde einzeln bewertet, obwohl es doch um ein Gesamtkonzept zur Verkehrssicherheit geht“, sagt Eisgruber. So fordert die Initiative unter anderem auch Übergangsmaßnahmen, wie beispielsweise Displays mit Geschwindigkeitsanzeigen, bis permanente Lösungen etabliert sind.
Wann und wie das von der Nachbarschaftsinitiative vorgeschlagene Konzept zur Verkehrssicherheit in Lemsahl-Mellingstedt umgesetzt wird, steht also nach wie vor in den Sternen. Fest steht nur, dass sich der Regionalausschuss Walddörfer von der zuständigen Abteilungsleiterin des Bezirks über den Planungsstand informieren lassen will. „Guter Wille ist da“, schlussfolgert Lasse Eisgruber. „Jetzt heißt es, konkrete Taten folgen zu lassen, damit unsere Kinder bald einen sicheren Schulweg haben.“
Von Anja Krenz / Titelfoto: L. Eisgruber
Last modified: 17. Dezember 2020