Elena Nowak: Nur klatschen allein bringt nichts
POPPENBÜTTEL Sie ist mit Leib und Seele soziale Betreuerin im Hospital zum Heiligen Geist (HzHG). Vor vier Monaten nahm Elena Nowak ihre Tätigkeit als Influencerin auf, um die Altenpflege in den Fokus der Öffentlichkeit und der Politik zu rücken und so für mehr Anerkennung der Pflegekräfte zu sorgen.
Von Anja Krenz
„Die Altenpflege hat keine Lobby“, sagt Elena Nowak. Der Applaus, der im ersten Lockdown wochenlang von Balkonen schallte, die öffentliche Wertschätzung und Anerkennung der Pflegekräfte seien in Vergessenheit geraten. Das sei ein Grund für den Nachwuchsmangel, ein anderer der geringe Verdienst, wobei sie selbst „nicht meckern“ könne, erklärt Nowak. Seit zehn Jahren ist sie im Hospital zum Heiligen Geist tätig – erst als Minijobberin, nun in Vollzeit als Koordinatorin der sozialen Betreuung im Haus Arnika. Nebenbei ist sie Pflege-Influencerin auf dem Instagram-Kanal @mehralspflege, der seit März vom Diakonischen Werk Hamburg betrieben wird. In kleinen Videos berichtet sie im Wechsel mit Kollegen aus anderen Einrichtungen über ihren Arbeitsalltag.
Junge Menschen für den Beruf begeistern
Das Ziel ist es, junge Menschen für die Altenpflege zu gewinnen. Das sei dringend nötig, mangele es doch an Nachwuchs und der Fachkräftemarkt sei erschöpft.
Elena Nowak weiß: Selbst wenn die Pflegekräfte mehr Geld bekommen, sei die Freude über eine Lohnerhöhung bei vielen nicht so groß, denn: Die Gehälter setzen sich aus den Kranken- und Pflegekassensätzen zusammen, vor allem aber aus dem Eigenanteil der Bewohner. Da lasse die eigene Freude über eine Lohnerhöhunge schnell nach: „Einige Bewohner sind verzweifelt, wenn sie sehen, dass die Kosten wieder gestiegen sind, weil sie nicht wissen, wie lange sie das noch bezahlen können“, hat Elena Nowak beobachtet. Das Problem hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn bei seinem Besuch am 27. August im HzHG eingestanden. Er sagte: „Wenn Sie Ideen haben, wie sich das lösen lässt, melden Sie sich bei uns!“ Elena Nowak sagt: „Die Lösung kann nur von ganz oben kommen. Es wäre gut, wenn die Bewohner oder deren Angehörige entlastet würden.“ Einige ihrer Ideen: Die Pflege müsste mehr Geld von Kranken- und Pflegekassen erhalten, zudem die Tarife angeglichen werden, damit frisch Ausgebildete nicht wegen des besseren Verdienstes in die Krankenhäuser abwanderten.
Trotz allem ein erfüllender Beruf
Elena Nowak möchte trotz aller Herausforderungen keinen anderen Beruf haben, besonders die Vielseitigkeit und die Nähe zu den Menschen gefällt ihr. Man kann den letzten Lebensabschnitt der Bewohner so schön wie möglich gestalten. Und dafür bekommt man ganz viel zurück.“
Michael Kröger, Vorstand im Hospital zum Heiligen Geist
Was erwarten Sie von der künftigen Bundesregierung in Bezug auf die Finanzierung der Altenpflege?
Michael Kröger: Ich erwarte von der neuen Bundesregierung, dass sie die Finanzierbarkeit der Altenpflege auch über den Wahlkampf hinaus im Fokus behält. Im Zuge der Debatte um die Finanzierung wünsche ich mir konkret, dass die Eigenanteile der Bewohnerinnen und Bewohner in den Pflegeheimen durch Zuschüsse vom Bund weiter gesenkt werden.
Wie kann man das Ansehen der Altenpflege verbessern?
Die Pflege muss in der Mitte der Gesellschaft dauerhaft sichtbar und leistbar sein. Wir brauchen von Pflegemitarbeitenden, die ihren Beruf tagtäglich gerne ausüben, eine stetige positive Kommunikation. So wie zum Beispiel im Podcast der Diakonie „mehralsPflege“, in dem auch Elena Nowak, Koordinatorin in der Betreuung bei uns im Hospital, mit Leidenschaft von ihrer Arbeit berichtet. Ebenso muss es Angebote, zum Beispiel zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Pflegeberuf, zum persönlichen Erhalt der Gesundheit und zu Fortbildungen, geben, damit der Pflegeberuf auch langfristig – von der Ausbildung bis zur Rente – attraktiv bleibt.
War die Pflegereform ein Corona-Effekt?
Die Pflege hat durch Corona eine deutlich stärkere Aufmerksamkeit erlangt. Die neue Pflegereform, die ab dem kommenden Jahr schrittweise greifen wird, ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Die Wirkungen werden erst nach und nach eintreten, zum Beispiel beim Personalschlüssel, der voraussichtlich erst ab dem 1. Juli 2023 greifen wird.
Last modified: 8. September 2021