Pastor Olaf Ebert, Seelsorger im Theodor-Fliedner-Haus, zum Umgang mit chronischen Erkrankungen
HAMBURG Es gibt viele chronische Erkrankungen, die dazu führen, dass sich die Menschen langfristig zurückziehen und damit in die Einsamkeit geraten. Oft sind diese lang andauernden Krankheiten mit ständigen Schmerzen verbunden, wie etwa bei Rheuma, Arthrose oder nach einem Unfall. „Die Patienten reduzieren sich auf das Nötigste, und es fehlt ihnen die Kraft, um Freundschaften zu pflegen“, erklärt Pastor Olaf Ebert, der Senioren auf ihrem nicht immer ganz leichten Lebensweg begleitet.
Die Betroffenen brauchen viel Zeit, oft sogar Jahre, um so eine chronische Krankheit für sich persönlich anzunehmen. „Die Menschen sind gefangen in ihrer Situation“, gibt Olaf Ebert zu bedenken. Die Gedanken und Pläne drehen sich häufig nur noch um den nächsten Arztbesuch, und man kommt schnell in einen Strudel von Kraftlosigkeit und Niedergeschlagenheit.
In dieser Zeit bricht das soziale Umfeld schnell weg, denn auch Freunde und Familienangehörige stehen der Situation hilflos gegenüber, wenn sich jemand selbst isoliert. Olaf Ebert hat das nach dem Tod des Vaters erlebt: Seine Mutter hat sich danach zunächst stark zurückgezogen. Sie brauchte Zeit, um Abschied zu nehmen und die Situation zu begreifen. Die Kinder wollten ihr hingegen Hilfe anbieten. Sie sagte damals sehr deutlich: „Nun lasst mich doch erst einmal in Ruhe!“ Durch diese Antwort haben die Geschwister viel gelernt. Erst ein Dreivierteljahr später begann sie, den Kontakt mit Familie, Freunden und Bekannten wieder aufzunehmen. „Darüber haben wir uns sehr gefreut“, erinnert sich der 57-Jährige.
So ein Rückzug über Jahre ist auch wichtig, um eine andere Lebenseinstellung zu entwickeln: Gesundheitliche Einschränkungen und deren Folgen sind oft Teil eines Lebens. Es gibt keinen Anspruch auf Gesundheit! Doch irgendwann entwickeln sich wieder Lebenswünsche. Die Menschen schaffen es, sich mit der neuen Situation zu arrangieren und suchen erneut Kontakt zu anderen Menschen. Oft sind zwar große Teile des sozialen Umfeldes weggebrochen, aber die engsten Familienangehörigen und Freunde werden Verständnis haben und sind offen für einen Neuanfang.
Von Jochen Mertens
Last modified: 17. Dezember 2020