Dem Strickclub geht die Wolle aus: Wer hilft?
AMMERSBEK Sechs Frauen stricken für Obdachlose. Dicke Socken, Schals – produziert wird, was wärmt. Das Problem: Den Damen geht die Wolle aus und der Winter steht vor der Tür. Gestrickt wird seit zweieinhalb Jahren. Zunächst für eine Einrichtung in Norderstedt, danach für die Obdachlosen-Initiative „Ein Rucksack voll Hoffnung“, aktuell für die Mobile Bullysuppenküche e.V., die Wohnungslosen hilft. Auch mit dem, was in Ammersbeck entsteht.
Es ist Freitagnachmittag. Vier Frauen sitzen auf einer Ammersbeker Terrasse in der Oktobersonne, auf dem Tisch eine Kanne Kaffee. Sie treffen sich jede Woche, plaudern über das, was ihnen „gerade durch den Kopf geht“ und stricken derweil Reihe um Reihe. Drei von ihnen produzieren Socken, die Vierte der heutigen Runde, Ilona Seifert, sitzt an einem dicken Schal.
Sie hat, wie schon im vergangenen Jahr, einen Aufruf in der Ammersbeker und Volksdorfer Facebookgruppe gepostet mit der Bitte um Wollspenden. Ganze Knäuel, aber auch Reste sind gern genommen. „Antje ist unsere Spezialistin für Socken aus Wollresten. Sehen die nicht toll aus?“, bewundert Hanneke Antjes kunstfertige Verarbeitung. Wer jemals Socken gestrickt hat, kann nicht glauben, dass sie regelmäßig zwei Paare pro Woche fertigstellt. Antje kommt jede Woche bei Wind und Wetter mit dem Fahrrad nach Ammersbek. Aus Poppenbüttel! „Das sind zehn Kilometer – pro Strecke. Ich brauche etwa 40 Minuten“, sagt sie. Begonnen hat alles vor etwa fünf Jahren mit Carlo von Tiedemann. „Ich war mit meinem Mann bei seiner Buchvorstellung in Reinbek“, erzählt Hanneke König. Während der Lesung berichtete er über die Tagesaufenthaltsstätte TAS in Norderstedt, deren Schirmherr er ist. „Als er sagte, wie wenig diese Menschen hätten, dachte ich: Da muss ich was tun.“ In der Pause sprach sie von Tiedemann an, und der drückte ihr ohne zu zögern seine Privatadresse in die Hand. Anderntags begann Hanneke für diese Einrichtung wieder mit dem Sockenstricken. Das hatte sie früher schon gemacht – für ihre Enkel. Aber die wollten irgendwann keine mehr, und ihre „Sockenstrickwut“ lag brach. Als sie schließlich 20 Paar fertig hatte, schickte sie von Tiedemann ein Paket per Post.
Über einen Aushang Mitstreiter gesucht
„Am nächsten Tag kam ein Riesendankesbrief mit einem Foto aus dem Fax.“ Darauf zu sehen: Carlo von Tiedemann, der die Socken in die Kamera hält und daneben die Einrichtungsleiterin mit staunend aufgerissenen Augen. Hannekes Freude über diese prompte Dankesbezeugung war groß. Zufrieden gab sie sich dennoch nicht: „Da waren 100 Leute zu versorgen. Das Bisschen, das ich herstellen konnte, war nur ein Tropfen auf den heißen Stein.“
Die Ammersbekerin wollte mehr. Ihre Tochter Ramona Fey war sofort mit von der Partie. „Ich war auf der Waldorfschule. Da haben schon die Erstklässler Handarbeitsunterricht. Ab der zweiten Klasse werden Socken gestrickt.“ Mit einem Aushang in einem Ammersbeker Supermarkt wurden Wolle und weitere Mitstrickerinnen gesucht. Einige kamen, manche blieben, wie Doro und Susanne, die heute keine Zeit haben, und Ilona und Antje, die sich vorher schon kannten. Anita, die siebte im Bunde, die aus gesundheitlichen Gründen nie zu den Treffen kommt, holte noch ihre über 80-jährige Tante ins Boot. „Sie strickt für ihr Leben gern Socken und schickt sie per Post hierher“, erzählt Hanneke.
Derzeit haben sie fast fünf Bananenkisten voll mit Mützen, Schals, Bein- und Armstulpen und natürlich Socken. Diese werden sie demnächst an Julia Radojkovic übergeben. Sie ist die Macherin bei Mobile Bullysuppenküche e.V. und übernimmt mit ihrem alten VW-Bus die Verteilung an die Obdachlosen. Damit die Damen weiterstricken können, benötigen sie Wollspenden. Nicht so gut geeignet ist Baumwollgarn oder weiße Wolle, aber letztendlich ist ihnen alles recht. Egal ob dick oder dünn, bunt oder Uni – Ramona Fey betont: „Wir verarbeiten alles!“
Wer Wolle erübrigen kann, erreicht Mitstrickerin Ilona Seifert unter der Telefonnummer 0174-340 11 69.
Von Anja Krenz
Last modified: 17. Dezember 2020