Bindeglied zwischen Gerichten und Bevölkerung
WANDSBEK Richter ohne Robe: Alle fünf Jahre werden die Schöffen für die Amtsgerichte und das Landgericht neu gewählt. Darum fordern derzeit die Hamburger Bezirke möglichst viele Bürger auf, sich für die Schöffenwahl zu bewerben. „Der Rechtsstaat lebt vom Mitmachen“, sagt Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne). Was die Richter im Ehrenamt erwartet, fasst Heimat-Echo-Mitarbeiter Marius Leweke zusammen.
Von Marius Leweke
Der Angeklagte war eine ziemliche Nervensäge. Offenbar durch US-amerikanische Filme und TV-Serien geprägt, sprach er uns kontinuierlich mit „Hohes Gericht“ an und nahm eine devote Haltung vor dem Richtertisch am Hamburger Landgericht an, an dem die Richterin und wir zwei Schöffen Platz genommen hatten. Betrug wurde ihm vorgeworfen und es war die Berufungsverhandlung, wo sein Fall noch einmal aufgerollt wurde. Die Verhandlung ist gut 15 Jahre her und der Autor dieses Berichts war kurz zuvor zum Schöffen am Landgericht berufen worden. Wir verhandelten ausschließlich Berufungssachen und in der Regel waren wir Schöffen und die Berufsrichterin uns einig: Den drogenabhängigen Dieb schickten wir erstmal zum Entzug, der ohrfeigende Grundstücksbesitzer musste seine Strafe zahlen und ein anderes Verfahren wurde gegen Geldbuße eingestellt.
Schöffen können Richter überstimmen
In der eingangs beschriebenen Verhandlung wegen Betrugs allerdings haben wir die Richterin überstimmt und den Angeklagten freigesprochen. Er war mit einer Dienstleistung unzufrieden und hatte nicht bezahlt. Unseres Erachtens war er aber zum Zeitpunkt der Fälligkeit seiner Schulden schlicht pleite. Darum ließ sich nicht nachweisen, ob er seine Schulden von vornherein nicht begleichen wollte. Wenn er es nicht konnte, ist das keine Straftat. Betrug wäre, wenn er geplant hätte, nicht zu bezahlen. Nach der Befragung der Beteiligten und der Darstellung des Sachverhalts entschieden wir Schöffen auf Freispruch. Damit war die Richterin überstimmt. Wichtig zu wissen: Die Schöffen entscheiden immer vor den Berufsrichtern. Und natürlich musste der Mann seine Schulden weiterhin bezahlen, er ist aber nicht vorbestraft.
Infoveranstaltung der VHS
Diese Episode aus meiner Zeit als Schöffe am Landgericht zeigt, dass man als ehrenamtlicher Richter mehr ist als schmückendes Beiwerk, sondern im Gegenteil, durchaus aktiv und entscheidend an der Rechtsprechung beteiligt ist. „Sehen Sie dieses Ehrenamt als eine Chance an, mit ihrer Lebens- und Berufserfahrung einen wichtigen Beitrag zum Rechtsstaat zu leisten“, wirbt darum Dennis Voß, Leiter der Wahlgeschäftsstelle im Bezirksamt Wandsbek.
Gesucht werden Menschen deutscher Staatsangehörigkeit, die beim Amtsantritt ab 2024 zwischen 25 und 69 Jahre alt sind. Informationen zur Bewerbung gibt es unter www.schoeffen-nord.de oder www.schoeffenwahl2023.de. Auch die Volkshochschule in Farmsen bietet am 16. Februar eine Infoveranstaltung an.
Last modified: 25. Januar 2023