Walddörfer Journalist entdeckt die Welt
WALDDÖRFER/ALSTERTAL Den Zuckerhut haben wir Deutschen vom Kreuzfahrtschiff am ersten von zweieinhalb Tagen in Rio geradezu erobert. „Marion, mach hinne, der Bus wartet nich, und nachher stehen wir da unten…“ Ich habe auf Brasiliens grandiosem Aussichtspunkt kaum etwas anderes als die deutsche Sprache gehört – in rheinischer, sächsischer oder auch in schweizer Variante.
Von Julian Voigt
Der zweite Tag in Rio hat mir aber auch weniger Populäres gezeigt: das Museum der Zukunft etwa, nur einen guten Steinwurf von unserem Liegeplatz entfernt. Dort läuft gerade die umfangreiche Ausstellung „Amazonia“ des brasilianischen Fotografen Sebastiao Salgado. Seine großformatigen SchwarzWeiß-Bilder schaffen eine unglaubliche Nähe zu diesem tropischen Landstrich, seine Portraits sind gleichermaßen respektvoll und sehr privat.
Und dann dieses Kunstwerk von Treppe, das zum Stadtteil Santa Teresa hinaufführt. Mehr als 20 Jahre hat der aus Chile stammende Künstler Jorge Selaron an diesem Keramik-Meisterwerk gearbeitet – ohne jede öffentliche Hilfe, unterstützt nur von Freunden, die Material brachten. Doch die Geschichte endet tragisch: Jorge Selaron verbrannte im Januar 2013 auf seiner Treppe. Ob der 65-jährige depressiv veranlagte Künstler sich mit leicht entflammbarem Farbverdünner selbst tötete oder von früheren Geschäftsfreunden eiskalt hingerichtet wurde, ist bis heute nicht geklärt.
Wir verbringen jetzt wieder mal zwei Seetage, bevor wir Montevideo erreichen. Langweilig wird es an Bord aber nicht. Dagegen steuert ein ausgeklügeltes Freizeitprogramm mit Angeboten wie „Boogie für Einsteiger mit Tanzlehrerin Diana“, „Volleyball mit Wolfgang“ oder „Workshop Hochsteckfrisuren“. Ich spiele am liebsten Shuffleboard, ein Mannschaftsspiel an Deck mit Pucks und Queues, bei dem Punktefelder getroffen werden müssen und das Rausschießen der gegnerischen Pucks den eigentlichen Kick ausmacht.
Ich sehe grad: Das nächste Spiel startet in gut 20 Minuten. Ich muss daher allmählich zum Schluss kommen, schnell noch die Fotos hochladen, von meinem Smartphone diesen Text abschicken und – bis bald!
Last modified: 23. November 2022