Ahrensburgerin fährt Züge durch die Alpen
AHRENSBURG/INNSBRUCK Als Lokführerin dort zu fahren, wo andere Urlaub machen, den Traum hat sich die 35-jährige Sandra Seidel aus Ahrensburg erfüllt. Schon früh, während der Urlaube mit den Eltern, hat sie die Faszination der Alpen gepackt. Seit sieben Jahren ist sie nun Wahl-Innsbruckerin und fährt Personen- und Güterzüge auf den schönsten Strecken im Alpenraum. Wenn dann noch Wandern, Klettern und Skifahren die Hobbys sind, kann man eigentlich nur noch sagen: Alles richtig gemacht, Frau Seidel!
VON MATTHIAS DAMM
Zunächst mal gilt es, den Beruf Lokführer nicht mehr an älteren Herren mit schwarzen Klamotten und einer Ölkanne in schwieligen Händen festzumachen. Das ist lange her und hat mit der aktuellen Ausbildung nichts zu tun, denn ein handwerklicher Beruf ist keine Voraussetzung mehr – handwerkliches Geschick hingegen kann nicht schaden. Trotzdem wird sich so mancher Fahrgast am Innsbrucker Hauptbahnhof gefragt haben: Hoppla, die junge Dame mit dem modischen Outfit will unseren Zug fahren? Ja, will sie, und wollte es schon immer!
„Schon als Kind, seit ich denken kann, wollte ich unbedingt Lokführerin werden“, erzählt Sandra Seidel. „Woher der Wunsch kam, kann ich nicht genau sagen, familiär vorgeprägt war ich nicht. Die Abwechslung, die Technik, die Verantwortung – all das hat es immer interessant gemacht, bis heute.“ Nach ihrem Fachabitur mit wirtschaftlicher Ausrichtung folgte der Start in die gewünschte Richtung zunächst mit einer Ausbildung als Kauffrau für Verkehrsservice bei der AKN Eisenbahn AG in Kaltenkirchen. „Im Anschluss habe ich noch eine Lehre als Eisenbahnerin im Betriebsdienst mit Fachrichtung Lokführer und Transport bei DB Cargo absolviert, dann wechselte ich direkt zur Hamburger S-Bahn als Triebfahrzeugführerin.“
S-Bahn rund um den Michel
Das Ziel war erreicht, von jetzt an fuhr Sandra Seidel als erst 23-Jährige auf allen S-Bahn -Strecken „rund um den Michel“. Die ehrgeizige junge Frau bildete sich aber nebenbei im Fernlehrgang zur Meisterin im Bahnverkehr weiter und übernahm mit 26 Jahren als fachliche und disziplinarische Vorgesetzte der Lokführer den Job einer Teamleiterin. Ein erfolgreicher Karriereschritt – mit einer Einschränkung: Ab jetzt standen Personalführung und –betreuung neben kaufmännischer Tätigkeit im Vordergrund, den Führerstand einer S-Bahn sah sie nur selten. „Zeit für neue Pläne“, dachte sich die leidenschaftliche Lokführerin, „denn in der Administration wollte ich jetzt noch nicht landen. Als ich mich fragte: Wo möchtest du am liebsten deinen Lokführerberuf ausüben, war die Antwort schon klar – in den Bergen! Seit ich mit etwa fünf Jahren das erste Mal mit meinen Eltern in den Alpen war, haben mich Berge und Natur dort fasziniert und nicht mehr losgelassen.“
Zeit für einen Ortswechsel
Lokführer werden seit vielen Jahren händeringend gesucht, auch bei den Österreichischen Bundesbahnen. So kam auch die Einladung zum Einstellungsgespräch in Innsbruck umgehend: „Wenn Österreich, dann Innsbruck, dachte ich. Gerade weil ich dort in der Umgebung schon einige Freunde hatte, die mich bei meinem Wechsel begleiten und unterstützen konnten. Als Ausgangspunkt für Wandertouren ist die Stadt perfekt gelegen, dazu die Nähe zu Italien, das südliche Flair, das alles schien mir ideal. Dass ich jetzt schon sieben Jahre hier lebe und Alpinistin geworden bin, hätte ich mir vor zehn Jahren nicht vorstellen können.“
Traumberuf auf Traumstrecken
Und dazu natürlich das Wichtigste, die Strecken. Von Innsbruck rauf zum Brenner, über die Arlbergstrecke bis kurz vor Bregenz, auf der Mittenwaldbahn nach Garmisch oder ins benachbarte Bundesland nach Salzburg: „Wer weiß, vielleicht fahre ich ja mal einen Heimat-Echo Leser über diese Traumstrecken, schauen Sie einfach mal in den Führerstand! Wie die Fahrgäste genieße ich die Momente bei Sonnenauf- und Untergang, die atemberaubende Alpenlandschaft des Karwendels oder die Arlbergstrecke, besonders auch im Winter – diese Momente machen den Job einzigartig.“
Natürlich müsse man der Verantwortung, den Unregelmäßigkeiten und auch den Dienstzeiten im Schichtdienst gewachsen sein, ergänzt Sandra Seidel, aber gerade als junge Kollegin sei sie in Innsbruck sehr herzlich aufgenommen worden.
„Mittlerweile steigt langsam auch die Anzahl der Frauen in meinem Beruf. Es kommt noch vereinzelt vor, dass sich Männer eine Frau als Lokführerin nur schwer vorstellen können und es belächelt wird. Da muss man sich eben beweisen, um die Skepsis auszuräumen. Das macht mir aber nichts aus, denn heutzutage steht eine Frau einem Mann in diesem Beruf absolut in nichts nach und kann es mindestens genauso gut.“
Last modified: 26. Juli 2022